Von wegen Minderheit – Warnstreik an den Helios Amper Kliniken am 21.03.2023

Beim ersten Streik seit 2017 beteiligten sich 140 Kolleg*innen. Das darf als Erfolg angesehen werden und nicht als kleiner. Der Warnstreik fand zwar im Rahmen der laufenden Verhandlungen um den TVöD statt, aber es ging um weit mehr als „nur“ um 10,5% mehr Lohn. Auch wenn wir den angesichts der angestiegenen Lebenshaltungskosten nur zu gut brauchen können. In Dachau geht es ums Existenzelle. Der jahrelang ignorierte Mangel an Personal , die Überlastung auf allen Ebenen, v.a. aber in der Pflege, eine Kultur aus Misstrauen und partiellen gezielten Einschüchterungen haben seit Beginn der Pandemie ein Betriebsklima geschaffen, welches sogar unsere, in Missständen erfahrene Belegschaft ,bisher nicht kannte. Dieser Frust hat sich im Streik Bahn gebrochen.

Konstante Aktivitäten und Aktionen von Aktiven im Betrieb sind bei der Vorarbeit nicht zu unterschätzen. Bislang wurden sämtliche öffentlich geäußerte Forderungen nach besseren Abseitsbedingungen abgeschmettert, Schilderungen über die Zustände als nicht der Realität entsprechende Profilierungsversuche einer vermeintlich unzufriedenen Minderheit abgetan. Diese Behauptungen sind nach dem Streik nicht mehr aufrecht zu halten.

Man war vor Ort durchaus überrascht als verdi es uns zugestand im Rahmen der festgefahrenen Tarifverhandlungen mitzuwirken. Es wurde sich mächtig ins Zeug gelegt, um auch was Ordentliches auf die Beine zu stellen. Zeitgleich kam auch eine Initiative aus der Belegschaft selbst ins Rollen. In einer Kooperation mehrerer Berufsgruppen wurden im Februar bereits Forderungen für das Klinikum Dachau aufgestellt. Wenn Helios als größter Klinikkonzern hier in Dachau schon kein zusätzliches Personal einstellt, dennoch alle Bettenkapazitäten sprichwörtlich ums verrecken ausschöpft, müssen Zugeständnisse her, in Form von Freizeitausgleich, Zuschlägen, Zusatzurlaub für Einspringen, Tauschen und v.a das unliebsame Versetzen, sowie für die konsequente Nichteinhaltung einer staatlichen personellen Untergrenzenverordnung.

Die nächste harte Pille ist die Auflösung der Abteilungen Patientenfahrdienst und Service. Den Kolleg*innen wurde erklärt, dass die Abteilungen bis Ende des Jahres dicht gemacht werden. Sie sollen eine Krankenpflegehilfe-Ausbildung machen bzw. sie werden dann den Stationen als ungelernte Pflegehilfskräfte zugeteilt. Ein Teil des Fahrdienstes beugt sich dem Druck, der Großteil des in Teilzeit beschäftigten Service wird aufgrund von Alter, sprachlicher Kenntnisse oder auch sozialer Struktur (sie müssten auf Vollzeit aufstocken) keine Ausbildung machen können. Es stehen hier Kündigungen im Raum. Der Grund für diese konzernweite „Qualifizierungsoffensive“ ist die Refinanzierung der Löhne in der Pflege. Es handelt sich um eine reine Einsparungsmaßnahme, und wenn ein Großteil des Service nicht mehr existiert, spart man sich auch deren nicht refinanzierte Löhne. Wer dann Patient*innen von und zu Untersuchungen, OPs usw. fährt, wer das Essen austeilt? Die Stationen heißt es. Die, die eh schon überlastet sind und keine Zeit für gar nichts haben.

Unter diesen Voraussetzungen rumort es gerade am Klinikum. Allerdings fällt ein erfolgreicher Streik auch nicht vom Himmel und es bedurfte schon des vollen Einsatzes, zumal verdi nach dem eingestellten Arbeitskampf 2017 kein hohes Ansehen mehr genießt. Aber wir streiken für uns selbst und nicht für eine Organisation. Im Vorfeld wurde von Seiten der verdi versucht eine bei Streiks in Krankenhäusern übliche Notdienstvereinbarung mit der Gegenseite zu verhandeln, was diese letztendlich ablehnte. Verdi sagte, sie würden sich einseitig an ihre Version halten. Das beinhaltete auch, dass auf Stationen, die eine höhere Streikbereitschaft zeigen als die Notdienstvereinbarung vorsieht, mit einer Ankündigung von drei Tagen Betten gesperrt werden. So geschah es auf der Kardiologie, der bettenmäßig gesehen größten Station am Klinikum. Am Freitag bekam die Helios Klinikleitung dies mitgeteilt. Zeit genug möchte man meinen. Aber nein, man entlässt wie üblich freitags und nimmt über das Wochenende wieder bis zum Anschlag auf. Montags, einen Tag vor dem Streik, kommen dann einbestellte Patienten*innen zu den notfallmäßigen hinzu und nichts geht mehr. Menschen liegen oder sitzen sogar stundenlang auf dem Gang, weil kein Bett frei ist. Das ist am Klinikum Dachau nichts Ungewöhnliches. Wenn eine Notdienstvereinbarung abgelehnt wird, ist der Arbeitgeber für die Versorgung allein verantwortlich. Es scheint für die hiesige Klinikleitung ein Anliegen zu sein dagegen gerichtlich vorzugehen. Montag Mittag wurde zum Termin am Arbeitsgericht München geladen und eine Sperrung eines Bruchteils von Betten sollte so verhindert werden. Streik ist ein Grundrecht, das Recht auf uneingeschränkten Profit des Konzerns wiegt dem Anschein nach hier aber höher. Leider gab verdi dem Antrag von Helios nach. Das bremste die Streikbereitschaft allerdings nicht. Von den Normalstationen war die Kardiologie die mit der besten Beteiligung. Die Physiotherapie der Klinik Indersdorf streikte zu hundert Prozent. Auch die Hälfte des Fahrdienstes war ganz vorn dabei, der OP wurde bestreikt und mit zwei Notteams besetzt und die Kolleg*innen der Notaufnahme waren eindrucksvoll vertreten – äußerten auch gegenüber der Presse wie die Zustände sind. Man sieht, dass die Überlastung mittlerweile alle Bereiche und Berufsgruppen erreicht hat.

Der Streik ging dann am Dienstag um 6:00 Uhr und los dauerte bis 22:00 Uhr. Statt wie von verdi aufgerufen um 8:00 Uhr zum schnellen Fototermin zu kommen, versammelten sich Punkt 6:00 Uhr die ersten Streikposten, um den Frühdienst in Empfang zu nehmen. Innerhalb einer dreiviertel Stunde waren 30 Kolleg*innen vor dem Haupteingang versammelt. Manche kamen auch nach dem Nachtdienst vorbei. Es waren eigene Flyer (mit den eigenen Forderungen), selbst gemachte Schilder und gute Stimmung am Start. Gegen 8:00 Uhr wuchs die Menge an, es kamen die Kolleg*innen aus Indersdorf hinzu, die ganz beachtlich mobilisiert haben. Es wurden auch diverse, der Klinikleitung treu ergebene, Leitungen spontan ausgepfiffen. Leider geriet die Phase vor dem Klinikum zu kurz. Gerade hier hat man die öffentliche Aufmerksamkeit. Der verdi Sekretär drängte auf Abmarsch zum Streiklokal im 3 Rosen.

Der Weg dahin wurde zur Demonstration. Zuallererst vorbei am Verwaltungsgebäude, wo die Klinikleitung ihre Büros hat, dann über das Landratsamt, wo der in der Belegschaft auch nicht gerade beliebte Landrat sitzt. Über die Altstadt ging es auf der Straße mit reichlich Lärm ins 3 Rosen. Dort gab es eine gute, offene Diskussion unter den Kolleg*innen.

Sollten die Verhandlungen um den TVöD bei der kommenden Runde nächste Woche wieder mit einem inakzeptablen Angebot enden, wird das nicht der letzte Streik an den Helios Amper Kliniken gewesen sein.

Der 21.03.2023 war ein Großstreiktag in der ganzen Region München. Wir haben im Vorfeld bei verdi nach anderen streikenden Kolleg*innen öffentlicher Einrichtungen gefragt, um uns mit ihnen zusammen zu schließen. Man ließ verlauten, es sei nichts bekannt. Tatsächlich haben aber Kindergärten, Bauhof, Wertstoffhöfe und die Busfahrer*innen gestreikt. Von den Busfahrer*innen wussten wir bereits in der Früh, weil ein Kollege eine entsprechende Information in Haltestellen vor dem Klinikum aufhängte. Nachdem sich die Streikversammlung im 3 Rosen aufgelöst hatte, wurde den Busfahrer*innen noch ein kleiner Besuch in ihrem Depot in Dachau Ost abgestattet. Sie hatten eine Streikbeteiligung von 85%. Das ist schon wirklich top. Auch gab es einen guten Informationsaustausch in lockerer Stimmung. Denn ein Streik hebt diese deutlich. Es ist immer ein Erlebnis. Zum ersten Mal seit langen konnte man auf der Demo durch die Altstadt Kolleg*innen lächeln sehen, wo man dies schon viel zu lange vermisst hat. Das bewirken Streiks! Und sie zeigen ganz plastisch wo die Fronten verlaufen. Es war eine Manifestation von Selbstbewusstsein. Der Helios Konzern ist äußerst mächtig, das steht außer Zweifel. Wir sind es aber auch und das haben alle Beteiligten am Dienstag gesehen und gespürt – auf beiden Seiten.


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