Solidarität statt Leistungsdruck: Zweiter Warnstreik an den Helios Amper Kliniken am 25./26.10.2017

Nachdem Helios in der dritten Verhandlungsrunde am 16. Oktober erneut ablehnte über eine personelle Mindestbesetzung zu verhandeln, war klar, dass ein erneuter Streik bevorstehen würde. Dabei lehnten sie sämtliche Vorschläge von verdi pauschal ab. Sogar eine Befragung der Klinik MitarbeiterInnen zur allgemeinen Belastungssituation.

Stattdessen schlugen sie vor eine Arbeitsgruppe zu gründen, die eine solche Befragung durchführen sollte – im Jahr 2019. Eine modifizierte Version der beim ersten Streik geltenden Notdienstverordnung wurde von Helios abgelehnt. Stein des Anstoßes war das Vorhaben eine Station komplett zu bestreiken. Helios kündigte an, im Falle dessen, den gesamten Warnstreik per einstweiliger Verfügung verbieten lassen zu wollen. Verdi ruderte daraufhin zurück und beschloss auf die Stationsschließung zu verzichten. Sehr zum Verdruss der dortigen KollegInnen, die natürlich darüber nur informiert wurden. Dennoch musste der zweite Streik den ersten übertreffen und das tat er. Aufgerufen wurde vom 25.10. um 6 Uhr bis 26.10. 22 Uhr.

Nichtsdestotrotz war die Stimmung unter aktiven KollegInnen kämpferisch. Die Teamdelegierten setzten erneut Streikposten zum Streikbeginn um 6 Uhr morgens durch. Es wurden Antigen-Flugblätter verteilt, die in Kürze erklären, warum wir erneut streiken. An beiden Streiktagen wurden davon mehrere hundert Stück vor dem Betrieb verteilt.

Leider zeigte sich am ersten Tag auch ein großes Manko. Nachdem Helios bis zuletzt die Notdienstvereinbarung abgelehnt hatte, wurde von Seiten der verdi zugesagt, man werde sich einseitig an die Besetzung vom letzten Streik halten. Was sich in zweierlei Maß ungünstig auswirkte.

Einerseits war die reale Besetzung der Stationen entweder genau dieses Mindestmaß oder es lag noch darunter. Das bedeutete, dass man auf den Stationen größtenteils erneut nicht am Streik teilnehmen konnte. Andererseits sorgte das Nichtexistieren eines verbindlichen Notdienstes für Verunsicherung unter KollegInnen. Daher nahmen am ersten Tag nur knapp 80 Beschäftigte teil. Und das obwohl von Seiten der Klinikgeschäftsführung und des unpopulären Pflegedirektors flächendeckende Einschüchterungsversuche ausblieben. Was allerdings zeigt, dass viele dies Europas größtem Klinikkonzern durchaus zutrauen.

Das dies nicht unbegründet ist zeigt folgende Begebenheit: In einem SZ Zeitungsartikel am 11.10. zu einer Aktion für Azubis (in unserem Jargon KrankenpflegeschülerInnen) vor der Dachauer Krankenpflegeschule wurden einige KPS zitiert, sie würden nicht an den Amper Kliniken anfangen, sollte sich nichts grundlegendes ändern. Die SchülerInnen werden allzu oft zur Kompensation personeller Engpässe herangezogen und sollen ganze Pflegegruppen übernehmen. Seit 1.10. unterstehen die KPS nur noch dem Pflegedirektor. Den Artikel nahm Klinikgeschäftsführer Thomas Eberl zum Anlass die interviewten Azubis zu sich zu zitieren. Dort wurden sie allerdings eher belabert als eingeschüchtert. Sie könnten mit ihren Anliegen jederzeit zu ihm kommen etc. Aber die Wirkung einer solchen Einladung darf dabei nicht unterschätzt werden.

Erfreulich war, dass sich wieder sehr viele KrankenpflegeschülerInnen an den Aktionen beteiligten. Auch beteiligten sich viele KollegInnen vor und nach dem Dienst oder in der Freizeit. Zwei Chefärzte verlegten ihre Ops oder Untersuchungen, die restlichen ignorierten den Streik und zogen ihr gesamtes Programm durch. Die logische Konsequenz, wenn man sich an keine Notdienstvereinbarung halten muss. Völlig unverständlich blieb unter den Streikenden, wie sich der oberste verdi Aktivist im Betrieb am Vortag auf einer gut organisierten Station zu Aussagen hinreißen lassen konnte, die den Pflegedirektor in Schutz nehmen. Wie man sich vor einem Streik auf die Seite des Arbeitgebers schlagen kann bleibt schleierhaft. Umso besser, dass sich die KollegInnen darüber eher amüsierten. Immer wieder wird deutlich, dass sehr viele nicht einfach das Vorgegebene nachplappern, sondern ein eigenes Bewusstsein und v.a. Selbstbewusstsein entwickelt haben.

Als Streiklokal wurde das Gasthaus 3 Rosen gebucht. Um dorthin zu gelangen zogen die Streikenden mit Transparenten, Fahnen und den obligatorischen Trillerpfeifen durch die Altstadt. Wegen der Masse an Leuten musste der Gehweg verlassen werden und der Fußmarsch wurde zur Demonstration. Dabei wurden Autofahrer zur Solidarität aufgefordert („2x Hupen für mehr Krankenhauspersonal“), was die meisten auch aufgriffen. Besonders erwähnt werden müssen an dieser Stelle die Dachauer Busfahrer für ihr solidarisches Verhalten. Man merkte schnell, dass die Bevölkerung unseren Anliegen positiv gegenübersteht und unsere Kritik an Arbeitsbedingungen und Konzern nur allzu deutlich teilt.

Ins Streiklokal wurden alle Fraktionen des Dachauer Kreistags eingeladen. Hintergrund waren u.a. die negativen Äußerungen von Landrat Löwl, der von „Lügen“ sprach und behauptete es würde mit „Unwahrheiten gezielt Stimmung gemacht“ gegen die Klinik. Obwohl die Kreistagsmitglieder sich in der Sitzung Anfang Oktober kritisch gegenüber der Klinikleitung äußerten, nahmen lediglich die SPD Kreisräte Dirlenbach und Eichinger an der Streikversammlung teil. Diese allerdings bekräftigten vor der mittlerweile auf über 100 KollegInnen angewachsenen Versammlung einigermaßen glaubhaft, dass ihnen die Verhältnisse an den beiden Kliniken ein deutliches Anliegen seien. Allerdings mussten sie nachschieben, dass der Landkreis mit seinen 5,1% Anteilen kein Mitspracherecht mehr besäße. Die KollegInnen berichteten ungeschönt von den Zuständen, der alltäglichen Arbeitsbelastung, Unterbesetzung, Ignoranz und despektierliches Verhalten seitens des Pflegedirektors und wie die PatientInnen dadurch nicht mehr ausreichend versorgt werden könnten. Es ist schön zu sehen, wenn KollegInnen über ihren Schatten springen und spontan das Wort ergreifen.

Nachdem sich rumgesprochen hatte, dass man auch ohne Notdienstvereinbarung prima streiken kann, war die Beteiligung an Tag 2 mit weit über 120 KollegInnen deutlich höher. Die Dynamik war größer, der Lärmpegel höher und die Entschlossenheit ebenso. Auch gemalte Schilder wurden mitgeführt, z.B. mit der trefflichen Aussage „Helios: Come in and burn out“. Selbstverständlich wurde wieder zum 3 Rosen in einer Demonstration gezogen. Dort erklärten sich die Bundestagsabgeordneten Michael Schrodi (SPD), Harald Weinberg (Die Linke) und Beate Walter-Rosenheimer (Grüne) bereit mit den Streikenden zu diskutieren. Letztere blieb dabei inhaltlich etwas blass. Alle befürworteten eine gesetzliche personelle Mindestbemessung im Klinikbereich, stellten aber sogleich in Aussicht, dass diese in absehbarer Zeit nicht kommen werde. Die Debatte war deutlich politischer, das Gesundheitssystem im allgemeinen betreffend, was an den geladenen Gästen lag. Auch OB Florian Hartmann kam spontan ins Streiklokal und drückte seine Solidarität aus. Im Anschluss statteten noch 40 Streikende dem Landratsamt einen lautstarken Besuch ab. Der Adressat Stefan Löwl war leider nicht anwesend, aber einer seiner Mitarbeiter empfing eine kleine Delegation.

Fazit: Erneut ziemlich gut, aber mit Luft nach oben. Helios klebt derweil Zettel im ganzen Betrieb, in denen sie behaupten ihr „Angebot“ stehe. Ihr Vorschlag für eine Arbeitsgruppe im Jahr 2019 und eine vorgeschlagene Betriebsvereinbarung ohne konkreten Inhalt stellt noch lange kein Angebot dar. Auch wenn man im finanziellen Bereich bereit wäre den Forderungen entgegen zu kommen, so ist die Weigerung die Beschäftigten zu entlasten, sie alleine über ihre Belastung zu befragen, eine klare Ansage, welche Sichtweise sie von uns Beschäftigten haben. Wir sollen schön weiter buckeln bis zum Umfallen. Und sollten wir dagegen aufbegehren ist es „unverhältnismäßig“? Sie bleiben unnachgiebig, wir bleiben es auch. Wir werden mit jedem Streik unsere Würde ein Stück mehr zurückholen.


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